Bericht der wissenschaftlichen Begleitung
Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet von:
Prof. Dr. Udo Schmälzle, OFM Seminar für Pastoraltheologie und Religionspädagogik der Universität Münster
Prof. Dr. Michael Meyer-Blanck, Seminar für Religionspädagogik der Universität Bonn
Dipl.Päd. Dietlind Fischer Comenius Institut Münster Der wissenschaftliche Bericht ist Ende 2004 erschienen. Er kann im Buchhandel erworben werden: SCHULEN IM LERNPROZESS - LEHRER SETZEN FAKTEN LIT - Verlag, Münster ISBN : 3-8258-8155-5 Preis: 17,90 €
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Vorwort zum wissenschaftlichen Bericht
Prof. Dr. Hans Hans Maier, Kultusminister a.D.
Dass in unseren Schulen etwas geschehen müsse nach TIMSS, PISA, IGLU – das ist inzwischen allgemeine Meinung. Aber was? Das Spektrum ist weit, es reicht von gezielten psychologischen Appellen an Eltern, Lehrer, Schüler bis zu Vorschlägen, die einen gänzlichen organisatorischen Umbau des Schulwesens ins Auge fassen. Ein „Ruck“ soll durch Deutschland gehen, damit im einstigen Volk der Dichter und Denker wieder mehr gelesen, gedacht, gelernt, geleistet wird. Denn wie lange kann es sich ein großes Industrieland leisten, im Wettstreit der Nationen ständig zurückzufallen?
Das Lehrerfortbildungsprogramm, über das hier berichtet wird, vermeidet es, für den höchst nötigen Reformprozess im deutschen Bildungswesen rasch umsetzbare Patentrezepte zu entwickeln. Es arbeitet nicht mit Psychoschocks. Es ist personenbezogen, konkret und auf langfristige Wirkung angelegt. Es stellt die Schule in den Mittelpunkt als einen Ort des Umgangs, der Kommunikation, des „Miteinanderhausens“ (Jean Paul) jüngerer und älterer Menschen zum Zweck von Bildung und Erziehung. Und es setzt bei denen an, welche diese Schule formen und gestalten – die also darüber entscheiden, ob Schulen langweilige, furchterregende, abstoßende Orte sind oder anregende und anziehende, in denen man sich wohlfühlt und an die man sich im späteren Leben gern und mit Dankbarkeit erinnert. Lehrer müssen sich fortbilden, damit sie ihre Schule von innen heraus verändern können. Das ist in einer Zeit umfassender und rascher Wandlungen des Bildungswesens eine schlichte Notwendigkeit.
Wir leben in einer offenen Gesellschaft mit wenig Sicherheiten. Viele Einflüsse streiten miteinander um die Seelen der Kinder. Orientierung zu ermitteln ist unter solchen Bedingungen ein mühsames Werk. Auf die Lehrerinnen und Lehrer kommen hier große Erwartungen zu. Lehrer sind Schlüsselfiguren im pädagogischen Prozess. Vor Jahren noch meinten manche Bildungsforscher, die Person des Lehrers werde im Lauf der Zeit durch eine immer perfektere Unterrichtsorganisation und -technologie abgelöst. Man sprach vom lehrersicheren – teacherproof – Unterricht. Wie töricht! Von solchen Illusionen ist heute nichts mehr übriggeblieben. Nein, ohne Lehrer geht es nicht, auf sie kommt alles an, ohne sie keine Schule, keine Erziehung, kein Unterricht. Freilich brauchen wir Lehrer, die erkannt haben, dass sie nicht immerzu aus dem Vorrat des einmal Erlernten schöpfen können, dass sie sich umsehen, an sich arbeiten müssen. Weiterbildung ist kein Zubrot, sie gehört zu den pädagogischen Alltagspflichten. Neben dem eigenen Lehren ist das eigene Lernen heute die wichtigste Aufgabe des Lehrers.
Das eigene Lernen – und zugleich das Lernen mit und von anderen. Denn Schule ist auf gemeinsames Handeln angelegt. Individuelle Fortbildung, die jeder für sich allein betreibt, genügt nicht. Daher ist dieses Lehrerfortbildungsprogramm auf ein ganzes Kollegium abgestellt – die Schule als Ganze soll, unter Beteiligung aller, über ihren Weg nachdenken und entscheiden. So kann das Gesetz der Trägheit überwunden werden, das Änderungen oft im Weg steht; so kann die Kommunikation im Kollegium verbessert werden; so kann ein Prozess des Austauschs in Gang kommen, der von den Lehrern auf die Schüler, die Eltern, die Öffentlichkeit übergreift. Neues Wissen kann in der schulischen Praxis leichter und schneller nutzbar gemacht werden. Fortbildung verliert den Charakter des Elitären, des nur für einzelne Erwählte Bestimmten. Es wird zur Sache aller oder doch vieler.
Angeregt und unterstützt durch die Stiftung Christliche Privatschulen, haben drei Schulen – das Peter-Breuer-Gymnasium Zwickau, das Johanneum Hoyerswerda und das Gymnasium Nonnenwerth – im Zeitraum 1999-2002 die neuen Formen der Lehrerfortbildung erkundet und erprobt. Im vorliegenden Bericht sind ihre Erfahrungen dokumentiert. Es geht um Lehren und Lernen in der Schule (strukturelle Dimension), um die kommunikative Kompetenz von Lehrern (interpersonale Dimension) und um die Arbeit am Rollenverständnis und Selbstkonzept von Lehrern (intrapersonale Dimension). Es geht um die Entwicklung eines Bildes, wie Schule sein soll, was Unterricht in einer „Weggemeinschaft“ der Lernenden und Lehrenden vermag. Aber man lese selbst, welche Wege aus der beklagenswerten heutigen Isolation der Schulen (und der Erziehenden überhaupt!) hier versucht werden, welche Widerstände (auch im eigenen Denken und Fühlen) zu überwinden waren, wie die Erfahrungen der Pädagogen, die Initiativen der Projektlehrer, das spielerische Tun der „Trainer“ aufeinander wirken, sich aneinander reiben und sich am Ende fruchtbar ergänzen.
So kann Lehrerfortbildung einen Beitrag zur Schulentwicklung leisten. Wenn Lehrerinnen und Lehrer die Schule selbst in die Hand nehmen und den oft pauschalen Weisungen von oben wie dem Nivellierungsdruck von unten durch eigene Initiativen zur „Selbststeuerung“ der Schule zuvorkommen, dann darf man neue Hoffnung schöpfen für Schule und Erziehung.
Von Anfang an gehörte die wissenschaftliche Begleitung zum Programm des Unternehmens. Sie hat in diesem Bericht einen detaillierten, übersichtlich gegliederten Niederschlag gefunden. Dass es gelang, für diese Arbeit einen Kenner wie Udo Schmälzle zu gewinnen, der sich als einer der ersten bereits in den frühen 90er Jahren systematisch mit Gewalt in Familien, Kindergärten und Schulen beschäftigt hat, war ein besonderer Gewinn. Ihm und seinen Mitarbeitern Michael Meyer-Blanck, Dietlind Fischer, der Stiftungsinitiatorin Doris Sennekamp sowie Jesaia Michael Wiegard, der für Datenbearbeitung und Grafiken verantwortlich war, sei für ihre Arbeit herzlich gedankt.
Den größten Dank freilich verdienen - gemeinsam mit den Schülern und Eltern - die Lehrerinnen und Lehrer der drei Schulen in Zwickau, Hoyerswerda und Nonnenwerth. In einem Lernprozess unter Erwachsenen haben sie gezeigt, wie Pädagogen auch unter schwierigen Bedingungen neue Autorität gewinnen können: indem sie nicht nur „lernen lassen“, sondern - für alle sichtbar - auch selber lernen. Man wünscht sich, dass ihr Beispiel Schule macht, dass viele ihnen nachfolgen - zum Besten einer pädagogisch erneuerten Schule!
Hans Maier
München, Juli 2004
Inhaltsverzeichnis
Teil I:
Einführung
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1. Die Entstehungsgeschichte des Projektes 1.1 Schule im Netzwerk von Politik, Wirtschaft, Kirche und Kultur 1.2 Die Antwort der Stiftung
2. Die beteiligten Schulen 2.1 Peter-Breuer-Gymnasium Zwickau 2.2 Johanneum Hoyerswerda 2.3 Gymnasium Nonnenwerth
3. Das Konzept des Lehrerfortbildungsprogramms 3.1 Ziele 3.2 Inhalte 3.3 Struktur der Seminare 3.4 Prozessbegleitung 3.5 Projektlehrer als Kontaktpersonen 3.6 Rahmenbedingungen
Aufgabenstellung und Vorgehen der wissenschaftlichen Begleitung 4.1 Methodische Grundlagen 4.2 Rahmenbedingungen und Beteiligungsdaten
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Teil II: Ergebnisse
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5. Das Fortbildungskonzept im Urteil der Betroffenen 5.1 Fortsetzung des Projekts mit anderen Schulen 5.2 Bereitschaft zur Weiterarbeit im eigenen Kollegium 5.3 Kooperation mit der Stiftung 5.4 Fazit
6. Rezeption und Akzeptanz der thematischen Seminarkonzepte 6.1 Stellungnahme zu den Themen 6.2 Rezeption und Akzeptanz der thematischen Seminarkonzepte aus der Sicht der teilnehmenden Beobachtung 6.3 Methodisch-didaktische Struktur des Bildungsangebotes
7. Neugestaltung der strukturellen Rahmenbedingungen von „Lehren und Lernen in der Schule“ (strukturelle Dimension) 7.1 Klärung von Träger- und Leitungsstrukturen 7.2 Schulentwicklung 7.3 Ausbau von Kommunikations- und Interaktionsstrukturen in der Schule 7.4 Öffentlichkeitsarbeit
8. Kommunikative Kompetenz von Lehrern (Interpersonale Dimension) 8.1 Kommunikation und Kooperation im Kollegium 8.2 Kommunikation und Kooperation mit der Eltern- und Schülerschaft
9. Arbeit am Rollenverständnis und Selbstkonzept von Lehrern (Intrapersonale Dimension) 9.1 Schulziele: Zwischen Verinnerlichung und Abgrenzung 9.2 Identität im Spannungsfeld zwischen Utopie und Realität 9.3 Methodisch-didaktische Kompetenz 9.4 Fazit
10. Übertragbarkeit des Fortbildungskonzeptes auf andere Schulen 10.1 Personales Angebot 10.2 Schulpraxis und Themenfindung 10.3 Finanzierung und Kostenbeteiligung 10.4 Fazit
11. Perspektiven von Eltern und Schülern 11.1 Weggemeinschaft 11.2 Leitbildentwicklung 11.3 Reformbereitschaft und Kritikfähigkeit
12. Wege aus der Isolation der Schule
13. Lehrerfortbildung: Ein Beitrag zur Schulentwicklung?
14. Schulen beginnen sich selbst zu steuern 14.1 Veränderung durch Zuwendung: Wege zur professionellen Identität 14.2 Abbau von Kommunikations- und Kooperationsdefiziten 14.3 Innovation: Schulentwicklung konkret
15. Entwicklungsperspektiven 15.1 Teilnehmerorientierung und Schulerfahrung als Postulat 15.2 Schulleitung: Kompetenzzentrum oder Flaschenhals bei Schulentwicklungsprozessen? 15.3 Partizipation von Eltern und Schülern an Bildungsmaßnahmen und Schulentwicklungsprozessen
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